Radwegnovelle
Zuständigkeit
Die Kreisverwaltung ist die zuständige Straßenverkehrsbehörde für die klassifizierten Straßen (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) im Landkreis Oldenburg – mit Ausnahme der selbstständigen Gemeinde Ganderkesee – sowie für die Gemeindestraßen in der Gemeinde Dötlingen und der Samtgemeinde Harpstedt. Die jeweiligen Gemeindeverwaltungen sind die zuständigen Straßenverkehrsbehörden für die Gemeindestraßen. Bei der Frage der Zuständigkeit ist es unerheblich, ob sich die Straße innerhalb oder außerhalb geschlossener Ortschaft befindet.
Rechtsgrundlage
Die Straßenverkehrsbehörden können gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO die Benutzung von Straßen aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen dürfen dabei gemäß § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO jedoch nur dort angeordnet werden, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen darüber hinaus gemäß § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko des Straßenverkehrs erheblich übersteigt.
Seit der sog. Radwegnovelle (Bekanntgabe 1997, Inkrafttreten 1998) besteht laut § 2 Abs. 4 Satz 2 und 3 StVO eine Pflicht, Radwege in der jeweiligen Fahrtrichtung zu benutzen, wenn dies durch Verkehrszeichen (VZ) 237, 240 oder 241 angeordnet ist (Radwegbenutzungspflicht). Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) erläutert für die anordnende Straßenverkehrsbehörde, dass die Radwegbenutzungspflicht nur zulässig ist, wenn sie aus Gründen der Verkehrssicherheit oder des Verkehrsablaufes (z.B. aufgrund hoher Verkehrsbelastung oder unübersichtlicher Straßenführung) erforderlich ist und wenn u.a.
- eine für den Radverkehr bestimmte Verkehrsfläche vorhanden ist (z.B. ein Radweg oder ein Geh-/Radweg) und
- die Benutzung dieser Verkehrsfläche zumutbar ist (ausreichende Breite, gute Oberflächenbeschaffenheit, eindeutige und sichere Linienführung).
Unfallstatistik
„Zahlreiche statistische Erhebungen und wissenschaftliche Untersuchungen weisen nach, dass die Unfallzahlen auf innerörtlichen Radwegen mit Radfahrerfurten deutlich höher sind als auf gemeinsam von allen Fahrzeugen genutzten Fahrbahnen. Auf Radwegen, die räumlich von der Fahrbahn getrennt sind, gibt es häufiger Unfälle in Verbindung mit abbiegenden und kreuzenden Fahrzeugen sowie mehr Alleinunfälle und Kollisionen zwischen Fußgängern und Radfahrern. Die Unfallschwere ist dabei nicht geringer als bei Unfällen auf Fahrbahnen.[…] Radfahrer sind dann am sichersten, wenn sie sich im Blickfeld der anderen Fahrzeugführer aufhalten.“ (Innenministerium des Landes Baden-Württemberg, Drucksache des Landtages Baden-Württemberg 14/1818)
Vorgehensweise
- Die Kreisverwaltung hat daher die Planungsgemeinschaft Verkehr (PGV) mit der Bestandsaufnahme der Radverkehrsanlagen innerhalb der geschlossenen Ortschaften an den in ihrer Zuständigkeit liegenden Straßen beauftragt. Die Ergebnisse wurden der Kreisverwaltung 2020 vorgelegt. In 2021 wurden diese Radverkehrsanlagen, aber auch z.B. die Standorte der Ortstafeln, vor Ort überprüft. Bei allen Ortsterminen waren dabei:
- die Kreisverwaltung
- die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, Geschäftsbereich Oldenburg
- die Straßenmeisterei Oldenburg bzw. Delmenhorst
- die jeweilige kreisnagehörige Gemeinde
- die Polizeiinspektion Delmenhorst / Oldenburg-Land / Wesermarsch
- der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC)
- das Verkehrsplanungsbüro „Planungsgemeinschaft Verkehr“ (PGV)
Ergebnis
Während der Ortstermine und in einem Abschlussgespräch im Dezember 2021 wurden Regelungen erarbeitet, mit denen zukünftig eine verkehrssichere und rechtmäßige Radverkehrsführung gewährleistet werden soll. An vielen Straßen ist die bisher angeordnete Radwegbenutzungspflicht aufgrund der übersichtlichen Straßenführung und geringen Verkehrsbelastung nicht erforderlich und / oder aufgrund der geringen Breite und der schlechten Beschaffenheit der Nebenanlagen nicht zulässig. Um Kindern über zehn Jahren, die nicht mehr einen reinen Gehweg mit dem Fahrrad benutzen dürfen, oder auch unsicheren Radfahrenden dennoch die Möglichkeit zu geben, die Nebenanlagen mit dem Fahrrad zu befahren, wird häufig ein Benutzungsrecht („Gehweg, Radverkehr frei“) angeboten. Ein Benutzungsrecht wird gekennzeichnet durch das Verkehrszeichen „Gehweg, Radverkehr frei“. „Den Belangen der Fußgänger kommt in diesem Fall ein besonderes Gewicht zu; insbesondere darf der Radverkehr nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren.“ (OLG Oldenburg, Beschluss vom 09.03.2004, Az. 8 U 19/04). Die StVO enthält jedoch keine Definition, wie schnell Schrittgeschwindigkeit ist, und die Rechtsprechung ist diesbezüglich ebenfalls nicht einheitlich. Häufig liegt die von Gerichten im Streitfall festgelegte Geschwindigkeit zwischen 5 und 15 km/h. Letztlich ist ausschlaggebend: Bei einem Benutzungsrecht ist der Radverkehr zu Gast auf dem Gehweg und zu Fuß Gehende haben Vorrang und dürfen nicht behindert oder gefährdet werden.
Dass das Fahren mit dem Fahrrad auf der Fahrbahn zulässig bzw. vorgeschrieben ist, wird zukünftig anhand von auf der Fahrbahn markierten Fahrradpiktogrammen verdeutlicht. Fahren Radfahrende auf der Fahrbahn sind sie dort grundsätzlich mit den Kfz-Fahrenden gleichberechtigt. Von allen Verkehrsteilnehmern wird ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht gefordert. Wer am Verkehr teilnimmt hat sich nämlich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Kraftfahrer (auch Motorradfahrer), die einen Radfahrer überholen, müssen gemäß § 5 Abs. 4 Satz 3 StVO innerhalb geschlossener Ortschaften mindestens einen Abstand von 1,50 m einhalten - im Zweifel mehr. Ist kein ausreichender Abstand aufgrund der Verkehrssituation einzuhalten, muss das Überholen unterbleiben und der Verkehrsteilnehmer hinter dem Radfahrenden bleiben.
Umsetzung
Die erarbeiteten zukünftigen Regelungen werden von der Kreisverwaltung als zuständige Straßenverkehrsbehörde angeordnet und durch die Straßenmeistereien Oldenburg und Delmenhorst umgesetzt (Änderung von Verkehrszeichen, Markierungen, etc.). Die Umsetzung erfolgt gemeindeweise sukzessive. Die Öffentlichkeit wird u.a. mittels Pressemitteilungen und Flyern informiert. Der Flyer steht auf dieser Internetseite zum Download bereit.